In der Corona bedingten Lockdown-Zeit halten sich viele Personen wieder vermehrt in ihren eigenen Gärten auf und befassen sich mit Fragen, wie sie diesen weiterentwickeln könnten. Brigitte Röde (Landschaftsarchiketin) gibt in ihrem Interview Einblick, wie sie mit Kundinnen und Kunden die Gartengestaltung angeht. Welche Hausaufgaben Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzer erledigen müssen und wie eine atmosphärisch ansprechende Bepflanzung gelingt.
Wie kann man mit Pflanzen Atmosphäre schaffen?
Röde: Auf Reisen erfährt man die Atmosphäre einer Gegend als Zusammenspiel von Landschaft, Ortschaften bzw. Gebäuden und eben Pflanzen. Das ist auch das, woran die meisten Menschen ihre Erinnerungen festmachen. Denken Sie an die Lavendelfelder der Provence, Immergrüne und Rhododendren im Norddeutschen, Gräser und silberlaubige Gehölze in Dünenlandschaften ... auch ohne, dass die Menschen die Pflanzen konkret ansprechen können, haben sie diese Bilder im Kopf. Das ist die Atmosphäre, die man auch im Kleinen, im Garten schaffen kann. Pflanzen sind die Basis, auf der wir Freiräume gestalten, in denen Architektur, Innenraum und eben der Garten eine harmonische, in sich stimmige Einheit bilden. Wenngleich es also solche atmosphärischen Motive aus Pflanzen- und Landschaftsbildern gibt, ist doch jeder Garten ein Unikat, weil er nutzerorientiert und kreativ entwickelt wird.
Wie finden Sie den Gartenstil für die Kunden?
Röde: Das Spektrum ist natürlich riesig - vom Bauerngarten bis zum Japanischen Garten, vom New German Style bis zum reduzierten, klassischen Garten. Es gibt zunächst eine Reihe von Vorgaben für die Planung, die sich u.a. aus der Lage und Topografie, dem Klima und dem Boden und natürlich den Wünschen und Erwartungen der Kunden zusammensetzen. Der erste Termin, immer vor Ort, ist der Wichtigste, weil ich dann diese Rahmenbedingungen aufnehme, mir ein Bild von den Kunden und ihrer Sicht auf die Welt mache. Ich frage danach, welche Erinnerungen und Emotionen sie mit Gärten verbinden, was sie schön finden, lasse mich inspirieren vom Haus, der Einrichtung etc.. Interessant ist es, dass oft bei Paaren nicht zwangsläufig eine gemeinsame Erwartung an den Garten vorliegt ... die gilt es dann im weiteren Planungsverlauf zu entwickeln. Ich lasse Kunden zum Beispiel als „Hausaufgabe" Gartenmagazine durchblättern und bitte darum, dass sie markieren, was ihnen gefällt. Oft erlebe ich, dass Emotionen und Gartenwünsche sich vor allem an Pflanzen festmachen - an Farben, Düften, Geräuschen, weniger an technischen Dingen oder Materialfragen. Tatsächlich stehen die Pflanzen für die meisten meiner Kunden im Fokus und daraus entwickele ich dann weitere Gartenaspekte und -elemente.
Wie verändert der Klimawandel die Gärten bzw. die Planung?
Röde: Dabei denkt man natürlich schnell an Hitzesommer und längere Trockenzeiten und deren Auswirkungen auf die Pflanzenwahl. Aber wir denken als Erstes an den Boden: Insbesondere bei Neubaumaßnahmen ist ja der Boden oft problematisch, hoch verdichtet, teilweise mit Bauschutt versetzt und in aller Regel mit nur geringem Humusgehalt. Das heißt, wir legen großen Wert auf eine gute Bodenvorbereitung und -vitalisierung und das kann u.U. bedeuten, dass wir im ersten Jahr nach einer intensiven Vorarbeit im Wesentlichen eine Gründüngung zur Bodenverbesserung vorsehen. Wir sind keine Freunde von automatischer Bewässerung. Die meisten Pflanzen wollen ohnehin nicht dauernd „nasse Füße" haben, sie sind sogar gesünder, wenn sie auch kurze Trockenperioden durchmachen. Das heißt, wir empfehlen Pflanzen bzw. Pflanzenkombinationen, die überwiegend autark durchs Jahr kommen. Gut ist es allerdings, wenn es mehrere Zapfstellen im Garten gibt, so dass man in längeren Trockenphasen mit einem Schlauch bedarfsgerecht gießen kann.
Welche Entwicklungen oder Tendenzen sehen Sie in der Gartenkultur der letzten 20 Jahre?
Röde: Erfreulicherweise wächst das Interesse an Natur - zum Beispiel sind Wildgehölze und Blumenwiesen, Pflanzen, die Insekten Pollen und Nektar spenden, heute für viele ein wichtiger Aspekt. Kletterrosen, ja bitte!, aber nicht mit gefüllten Blüten ... Wir können heute viel mehr als noch vor ein paar Jahren Dynamik zulassen, Pflanzen dürfen sich aussäen, Akelei, Königskerze, Nachtkerze, Fingerhut ...Feng Shui ist nicht mehr angesagt, auch Bambus wird heute kaum mehr gewünscht, aber Gräser und Prairievegetation sind gefragt. Statt Rasen darf es oft auch zumindest zum Teil eine Blumenwiese sein. Obstgehölze und eine Kräuterecke in der Nähe der Küche, Solitäre, gern auch wirklich große Gehölze oder Bäume. Wer es sich leisten kann, kauft sich auf diese Weise Zeit.
Welche Bedeutung hat in Ihren Gärten die Pflege?
Röde: Jeder Garten lebt und verändert sich, deshalb gehört eine fachgerechte Gartenpflege meines Erachtens unbedingt dazu. Wir machen in den ersten Jahren nach der Fertigstellung eines Gartens mindestens einmal jährlich einen Gartenspaziergang mit den Hausbesitzern und den pflegenden Landschaftsgärtnern, um gemeinsam zu besprechen, wie sich der Garten entwickelt. Der Rundgang wird protokolliert, auch mit Fotos, und ich weise auf die beabsichtigte Entwicklung hin. Dies stärkt nicht nur die Identifikation der Gartenbesitzer, aber auch der Gärtner mit dem Garten, sondern führt auch zu einer größeren Wertschätzung der Gartenpflege. Wir unterscheiden pflegeleichte Gärten - gut eingewachsen, dichte bodendeckende und standortgerechte Bepflanzung - von pflegearmen Gärten. Wie gesagt, es kommt immer darauf an, was die Menschen wollen und auch, wie intensiv sie ihren Garten nutzen.
Haben Sie Tipps für junge Berufsanfänger?
Röde: Ganz wichtig ist meines Erachtens, dass man seine Aufmerksamkeit schult: In der Stadt, auf dem Land, im Wald, in Gärten und Parks ... überall kann man etwas lernen, Pflanzenwissen sammeln. Was passt zusammen, was vielleicht nicht, welche Stimmung erzeugt diese oder jene Komposition, welche Pflanzengesellschaft entwickelt sich in der Natur. Das zweite was ich empfehle, ist auf die innere Stimme zu hören, sich der Freude hinzugeben, denn was man mit Freude tut, macht man auch gut. Und, sich Zeit zu nehmen. Zeit ist ohnehin ein ganz wichtiger Aspekt, der unsere Profession als Gartenplaner auszeichnet: Einen Garten zu planen im Wissen, dass er sich weiter entwickeln und verändern wird, dass er sich in Teilen sogar anders entwickeln kann, als wir erwartet haben, das ist eine Erfahrung, aus der man immer wieder auf's Neue lernen kann und die das Besondere am Gärtner sein ausmacht.
Mehr unter www.brigitte-roede.de, www.akademie-dycker-feld.de und www.mein-traumgarten.de.
Über Brigitte Röde
Sie hat nach ihrem Studium der Landespflege in Osnabrück ein Planungsbüro in Köln gegründet. Mit insgesamt fünf Menschen werden heute Gärten in ganz Deutschland geplant. Neben der Freiraum- und Objektplanung - primär in Privatgärten - ist die differenzierte Bepflanzungsplanung ein Schwerpunkt des Büros. Gemeinsam mit anderen hat sie 2019 die Gartenakademie Dycker Feld als Initiative namhafter Gartenarchitekten, der Stiftung Schloss Dyck und zahlreicher Branchen-Spezialisten mit Begeisterung für herausragende Architektur im Privatgarten gegründet.
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