In den letzten Jahren wurde viel getan, um alte Kartoffelsorten zu erhalten. Heute sind ausschliesslich gesunde Knollen im Umlauf und einige Sorten wurden verglichen und genetisch überprüft Auch kleinere Bauernbetriebe haben den Anbau alter Sorten inzwischen entdeckt.
Bild: Grosse Vielfalt an alten Kartoffelsorten/ProSpecieRara
In den vergangenen Jahren wurden der Stiftung ProSpecieRara von Privatpersonen mehr als 150 Kartoffelsorten eingesandt und mit Unterstützung aktiver Mitglieder auch erhalten. In einem Nationalen Aktionsplan (NAP) ist inzwischen der Bund und seine Forschungsanstalten am Erhalt alter Kartoffelsorten beteiligt.
Der erste Schritt dazu war, die alten Sorten zu sichern und als gesundes Erbmaterial zu erhalten. Viele Kartoffeln sind von Viren befallen, deshalb musste erst einmal gesundes Ausgangsmaterial für den weiteren Erhalt geschaffen werden. Diese Aufgabe übernahm die Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil (ACW) in ihren Labors: eine Primärsammlung in Reagenzgläsern wurde angelegt. Aus diesem Ausgangsmaterial wurden Pflanzen angezogen und unter gut kontrollierten Bedingungen zu jeweils 100 Knollen pro Sorte in der Saatzuchtgenossenschaft St.Gallen in Flawil gepflanzt. Eine sogenannte Duplikatsammlung ist daraus entstanden.
In der Höhenlage von Maran (bei Arosa) auf 1800 m.ü.M. ist eine weitere Duplikatsammlung geschaffen worden. Die Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon betreibt hier einen Kartoffelschaugarten. Diese Höhenlage verhindert weitgehend den Befall von Viren oder die Übertragung von Krankheiten durch Blattläuse.
'Blaue Schweden'
(Bild PSR)
Nicht jede blaue ist ein ‚Blauer Schwede’
Eine weitere wichtige Arbeit bestand darin, äusserlich gleich aussehende Sorten genetisch zu überprüfen. Handelt es sich tatsächlich um die gleiche Sorte? Dazu wurden bestimmte Stellen der DNA, sogenannte molekulare Marker, überprüft. Wenn diese übereinstimmen, sind die Sorten ziemlich sicher identisch.
Allerdings ist die optische Beurteilung ein wichtiger Bestandteil der Beurteilung. So beispielsweise bei ‚Désirée’ und ‚Fläckler’: Obwohl ihre Marker übereinstimmen, sind doch optisch Unterschiede festzustellen. ‚Désirée’ hat eine durchwegs rote Schale, ‚Fläckler’ hingegen eine gelb-rot gefleckte.
Andere Resultate haben zur Folge, dass man sich von liebgewordenen Sorten verabschieden muss, da sie lediglich Duplikate sind. So beispielsweise die ‚Acht-Wochen-Nüdeli’, ‚Müsli Oberkirch’, ‚Virgule Béroche’. Sie alle sind mit der ‚Ratte’ identisch, sowohl genetisch als auch optisch. Der Sortenname ist allerdings wenig poetisch.
'Parli'
(Bild PSR)
Als ‚Blaue Schweden’ haben sich manche anderen Sorten herausgestellt, die etwas anderes sein wollten: ‚Bleue’, ‚Blaue Emmensteg’, ‚Blaue PSR’, ‚Blaue Hindelbank’. Doch es gibt noch ein paar andere Blaue, die eigenständig sind als Sorten wie die ‚Blaue Ludiano’ oder die ‚Vitelotte’.
Die Sortenvergleiche sind noch nicht abgeschlossen. Die Resultate dieser Überprüfungen werden laufend veröffentlicht. Künftig werden identische Sorten zusammengefasst. So beispielsweise ‚Parli’, die sich als identisch mit ‚Wiesner’ und ‚KA-88’ erwiesen hat. Der Sortenname ‚Parli’ wird bleiben; identische Sorten werden vorläufig noch aufgeführt, mit der Zeit wohl aber verschwinden.
Mit alten Kartoffeln zum Agropreis 2011?
Der Bauernbetrieb der Familie Heinrich in Filisur produziert seit 2003 alte Kartoffelsorten. Heute sind 20 Sorten im Angebot, die auf 1000 m.ü.M. angebaut werden. 2011 konnte die Familie Heinrich 27 Tonnen ernten auf den insgesamt 1,7 Hektar grossen Feldern. 2011 war ein gutes Jahr für Kartoffeln, mit grosser Ernte und ausgezeichneter Qualität. Das Saatgut produziert der Biobetrieb vorläufig noch selber. Einige Sorten müssen von Hand geerntet werden, da sie zu klein sind für die Erntemaschine.
'Vitelotte noir'
(Bild PSR)
Dank der Zusammenarbeit mit dem Spitzenkoch Freddy Christandl konnte der Bauernbetrieb eine solide Kundschaft gewinnen, die sich breit abstützt auf Spitzenrestaurants, Delikatessengeschäfte und weitere Stammkundinnen und –kunden. Zu den angebotenen Sorten gehören ‚Corne de gatte’, ‚Parli’, ‚Vitelotte noir’ und andere.
Der Biobetrieb der Familie Heinrich wurde für den Agropreis 2011 nominiert, den jährlich verliehenen Innovationspreis der Landwirtschaft. Die Preisverleihung findet am 22. Oktober 2011 an der Olma in St.Gallen statt.
Weitere Informationen zu alten Kartoffelsorten finden Sie hier.
Text: Elisabeth Jacob
Bilder: ProSpecieRara
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