"Das Leben in der Stadt wird von Jahr zu Jahr unerträglicher, und Leute mit moderatem Einkommen, die sich schon lange nach einem bescheidenen Haus auf dem Land gesehnt haben, fangen an, ihre Wünsche zu verwirklichen." Nein, das ist kein Zitat aus diesem Jahr, sondern stand schon 1899 in der britischen Zeitschrift "Country Life".
Durch die industrielle Revolution wurden die europäischen Städte während des 19. Jahrhunderts voller, schneller, lauter … und für viele Menschen schlichtweg zu stressig. Sie begannen, sich nach dem ruhigen Landleben zurück zu sehnen, das ihnen obendrein zeitgenössische Gemälde in wärmsten Farben vorführten. Wer es sich leisten konnte, kaufte ein Haus ausserhalb der Stadt und liess sich einen üppig blühenden Garten anlegen. 120 Jahre später ist ein ähnlicher Trend zu erkennen. Jetzt ist es die Digitalisierung und alltägliche Hektik sowie Lärm, die uns kaum Herunterkommen und Abschalten lassen. Ständig sind wir erreichbar, immer und überall mit jedem vernetzt. Der Alltag ist stressig und lässt uns von einem idyllischen Rückzugsort träumen: Der Landhausgarten feiert ein Comeback.
Die Charmante Wildheit des Landhausgartens
"Der Landhausgarten ist kein authentisches Abbild eines Bauerngartens, sondern vielmehr eine idealisierte Form", erklärt Gerald Jungjohann vom Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL) e.V.. "Er ist so gestaltet, wie sich damals die britischen Stadtbürger das Leben auf dem Land vorstellten: stark romantisiert." Wie im englischen Landschaftsgarten spielen auch in dessen Miniaturausgabe klare Strukturen eine wichtige Rolle: Mit Mauern, Hecken und Formgehölzen werden verträumte Gartenräume geschaffen, in denen eine üppige Pflanzenvielfalt blüht. Diese wächst scheinbar ungebändigt in alle Richtungen und über ihre Grenzen hinaus. Den Effekt der geordneten Wildheit schaffen Landschaftsgärtner, indem sie Gräser, Stauden, Sträucher und Zwiebelgewächse mit unterschiedlichen Höhen und Wuchseigenschaften kombinieren. Hier wiegt sich filigranes Lampenputzergras neben leuchtendem Purpursonnenhut und den interessanten Blütenständen der Fetthenne. An anderer Stelle ziehen hochwachsende Pompondahlien neben zarten Anemonen alle Blicke auf sich, während kleinbleibender Lavendel oder Salbei den Garten mit ihrem herrlichen Duft bereichern.
Für ein harmonisches Bild raten die Experten für Garten und Landschaft, sich bei der Auswahl auf eine überschaubare Anzahl an Pflanzen zu konzentrieren und diese wiederholt zu setzen. Dann geht kein Gewächs in der Menge unter und kommt auch noch bei einem Blick aus der Entfernung wunderbar zur Geltung. Achtet man zusätzlich auf unterschiedliche Blühzeiten und gibt auch Immergrünen Raum, dann ist der Garten das gesamte Jahr über attraktiv. Zugleich werden auf diese Weise Insekten und Vögeln reichlich Nahrung und Lebensraum geboten, deren fröhliches Zwitschern und Summen ganz nebenbei für zusätzliche Romantik sorgt.
Vertikale Gestaltung mit Pflanzen
Eine der wichtigsten Pflanzen für einen Landhausgarten ist die Rose. Sie versetzt uns wie automatisch in das romantisch-verträumte ländliche England, das wir aus den Rosamunde Pilcher Filmen kennen und lieben. Gefüllt blühend, einfach, weiss, rosafarben, knallig rot, als Strauch wachsend oder in die Höhe kletternd – die Auswahl ist gross. "Für Gärten mit wenig Platz sind Kletterrosen ideal", betont Jungjohann vom BGL. "Mit ihnen können auf kleinem Bodenraum eindrucksvolle Bilder mit ländlichem Charme geschaffen werden." Mit der kletternden Königin lässt sich zum Beispiel eine Pergola zum Blühen bringen oder die Hauswand verschönern. Wählt man die Rambler-Rose, kann sogar einem alten, urigen Baum ein neues Gesicht verliehen werden: Anders als ihre Schwestern braucht diese Kletterkünstlerin keine Rankhilfe, sondern findet auch ohne weiteres Zutun in der knorrigen Krone Halt.
Eine weitere schöne Möglichkeit, mit wenig Platz grossen Eindruck zu machen, bietet Spalierobst: Also Gehölze, die an einem Gerüst hochgezogen werden und deren Krone in eine strenge Form gezogen wächst. Landschaftsgärtner empfehlen hier Apfel- oder Birnbäume, da sie sich besonders schön als Spalier ziehen lassen und mit unseren klimatischen Bedingungen gut zurechtkommen, aber auch Quitten oder Pflaumenbäume sind geeignet. Bietet der Garten eine Mauer, die nach Süden zeigt, können dort sogar wärmeliebende Obstgehölze gepflanzt werden, wie Aprikosen oder Feigen. "Natürlich reicht der Fruchtertrag nicht für einen Selbstversorgergarten, aber hin und wieder von der eigenen Ernte zu naschen, ist einfach ein köstliches Highlight im Gartenjahr", betont Jungjohann. Weitere Informationen gibt es auf www.mein-traumgarten.de.
BGL
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