In Privatgärten werden reichlich chemische Pflanzenschutzmittel ausgebracht: spritzen, streuen, giessen sind beliebte, schnelle und günstige Methoden. Warnungen auf Packungen werden oft zu wenig beachtet.
Bild: Jon Sullivan
Die Zahl scheint hoch und ist doch kaum einschätzbar: 3500 Tonnen Pflanzenschutzmittel wurden 2009 in der Schweiz verkauft. Grösster Käufer von chemischen Mitteln gegen Schädlinge, Krankheiten und Unkraut ist die Landwirtschaft. Der Anteil, der in Privatgärten landet, ist leider nicht bekannt.
Genauere Zahlen gibt es bei den Herbiziden (Unkrautvertilger). Die sanu schätzt dass Hobbygärtner an die 425 Tonnen eingekauft haben, bei insgesamt 1400 Tonnen verkauften Herbiziden. Bleibt nur die Frage, ob die Mittel auch gestreut oder gespritzt wurden. Die Messungen auf erhöhte Rückstände (Werte > 0,1 µ) im Grundwasser könnten ein Hinweis dafür sein. An mehr als 14% der Messstellen in Siedlungsgebieten und an 19 % Landwirtschaftszonen wurden erhöhte Werte von Herbizid-Rückständen festgestellt (2008). Das heisst, dass auch im Siedlungsraum reichlich chemische Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden.
Bild: Marienkäfer und vor allem ihre Larven fressen Läusen und helfen im Garten, dass es nicht zuviele davon gibt.
Beschränkter Einsatz von Herbizid
Wer im eigenen Garten Herbizide ausbringen will, ist in der Anwendung eingeschränkt: Seit 2001 gilt auch für Privatpersonen ein Verbot auf Plätzen, Wegen, Dächern und Terrassen. Manchen Hobbygärtnerinnen und -gärtnern leuchtet dies nicht ein: Unkraut weg. Plattenweg sauber. Problem gelöst. Doch das „Problem“ wird weggeschwemmt: Die Spritzbrühe gelangt über die Kanalisation in Gewässer, wo die chemischen Stoffe Kleinlebewesen und Pflanzen beeinträchtigen. Über den Kiesuntergrund einer asphaltierten Fläche gelangen die chemischen Stoffe ins Grundwasser und können Trinkwasser verunreinigen.
Bild: Spuren von Rückständen chemischer Pflanzenschutzmittel sind in vielen Gewässern nachweisbar./ Freak-Line-Community
Obwohl das Verbot bereits 2001 besteht, ist der Wissensstand der Hobbygärtner tief. In einer Umfrage der sanu im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU) gaben 53% der Befragten an, dass sie noch nie etwas von diesem Verbot gehört hätten. Die übrigen wussten mehr oder weniger Bescheid und von ihnen setzen sich 10% darüber hinweg und spritzen trotzdem. „Es ist schwierig an Hobbygärtnerinnen und -gärtner heranzukommen und zu informieren. Ob jemand Chemie im Garten einsetzt, ist auch eine Mentalitätsfrage. Manche verzichten ganz bewusst“, erklärt Alfred Wittwer, Autor der Studie und Projektleiter der sanu. Er ist persönlich der Ansicht, dass Herbizide in Privatgärten nichts verloren haben: „Dafür gibt es keinen sinnvollen Einsatz.“
Wer glaubt, mit einem biologischen Herbizid könne das Unkraut bequem entfernt werden, täuscht sich. Auch diese Mittel dürfen auf Wegen und Plätzen nicht eingesetzt werden. Also bleibt die nur die bekannteste Methode Unkraut zu entfernen, das Jäten. Auf Wegen leisten auch Pendelhacken oder Bürsten gute Dienste. Unkräuter werden oberflächlich abrasiert und die Pflanzen dadurch ausgehungert. Regelmässig angewendet, können auf diese Weise selbst Wurzelunkräuter unterdrückt werden. In den Beeten sind schmalere Hacken und auch Jätstecher (oder –dolche) praktischer.
Bild: Mit einer Pendelhacke kann auf Wegen Unkraut schnell und manuell entfernt werden./ Der wilde Gärtner.at
Auf Wegen können kleinere, gasbetriebene Abflammgeräten eingesetzt werden.. Die Gaspatronen reichen oft nicht weit und sind recht teuer. Im übrigen ist es eine zeitraubende Arbeit. Wesentlich wirkungsvoller und schneller arbeiten die Infrarot-Abflammgeräte professioneller Gartenbaubetriebe. Ob sich der Aufwand für etwas Unkraut auf Wegen und Plätzen überhaupt lohnt, ist eine andere Frage.
Wo können Herbizide in Privatgärten überhaupt eingesetzt werden? Einzig in bepflanzten Beeten und unter Gehölzen. Doch hier besteht die Gefahr, dass benachbarte Pflanzen Schaden nehmen. Das Unkraut ist zwar weg, aber andere Gartenpflanzen sind es vielleicht auch. Manche Hobbygärtner fragen sich deshalb zu Recht: Warum werden Herbizide überhaupt verkauft? Die Antwort wissen nur die Hersteller.
Auf den Herbizid-Packungen sind übrigens keine Verbotshinweise zu finden, lediglich in den Packungen auf dem Produkte-Informationsblatt, ganz am Ende im Kleingedruckten. Bereits dies sei eine freiwillige Dienstleistung an die Kundschaft neben all den gesetzlich vorgeschriebenen Informationen, erklärt Norbert Locher von Syngenta.
Bild: Mit einem Spritzgerät können sowohl biologische, als auch pflanzliche oder chemische Mittel (verdünnt) ausgebracht werden. Allerdings sollte ein Spritzgerät immer nur für eine Art von Mitteln (also z.B. biologische) verwendet werden wegen der Rückstände./Markus Hagenlocher
Ausnahmen für Kleinpackungen
Berufsleute aus Gemeinden, Gartenbau und Landwirtschaft, die regelmässig mit Pflanzenschutzmitteln arbeiten, brauchen eine Fachbewilligung. Hobbygärtnerinnen und –hobbygärtner verfügen selten über notwendige Kenntnisse der Schadorganismen und ihrer Bekämpfung. So gelangen Produkte an Laien, die ungeeignet sind. Darunter fallen all jene Pflanzenschutzmittel, die als „besonders gefährliche Chemikalien“ eingestuft werden. Zwar dürfen als „sehr giftige“ und „giftige“ gekennzeichnete Mittel nicht an Privatpersonen abgegeben werden. Auch umweltgefährliche Chemikalien, die für Wasserorganismen giftig sind (R-Sätze 50/53) stehen auf der Verbotsliste. Hier hat der Gesetzgeber jedoch die Ausnahme eingefügt, ausser „in Kleinpackungen unter einem Kilogramm“. Dies dürfte weniger im Sinne der Umwelt, als zum Wohle der chemischen Industrie sein.
Zwei bekannte Produkte gehören in diese Kategorie, die sich gut verkaufen (siehe Hinweis Buchsbaumzünsler, Dickmaulrüssler). Sie sind beliebt bei manchen Hobbygärtner, da sie effektiv wirken. Gemäss eigenen Beobachtungen hinterlassen sie allerdings reichlich tote Bodenlebewesen und können kaum als „nützlingsschonend“ bezeichnet werden.
Bild re: Unter diesem Logo startet im Frühjahr 2012 eine Kampagne, die über die Gefahren von Giftstoffen in Haushalt und Garten informiert und Alternativen dazu aufgezeigt. An der Kampagne sind das Bundesamt für Umwelt (Bafu), kantonale Ämter und die Umweltorganisation PUSCH beteiligt. Organisationen und Vereine sind aufgefordert, Aktionen zum Thema zu veranstalten (Gefahren von Giftstoffen, Alternativen, Entsorgung). Infomaterial wird von PUSCH zur Verfügung gestellt. Mehr Infos unter www.giftzwerg.ch
Giftklassen aus den Köpfen verbannen
Mit dem neuen Giftgesetz (2005) wurden die Giftklassen aufgehoben und durch orangefarbene Gefahrensymbole ersetzt wie im übrigen Europa auch. Dies ist bei vielen Konsumentinnen noch nicht angekommen: „Weil keine Giftklassen mehr draufstehen, ist sich die Kundschaft oft nicht bewusst, dass es sich um gefährliche Produkte handelt“, beobachtet Erwin Meier sen, Inhaber des Garten-Center Meier, Dürnten.. Dies hat auch econcept in einer Forschungsarbeit über die Wahrnehmung gefährlicher chemischer Produkte festgestellt. Viele Anwenderinnen und Anwender orientierten sich nach wie vor an den Giftklassen. Manche Symbol werden kaum verstanden, wie etwa das Andreaskreuz, das für „reizend“ und „umweltgefährlich“ steht.. Ausserdem würden Gefahren-(R-Sätze) und Sicherheitshinweise (S-Sätze) selten gelesen. Entscheidend, ob und wie Gefahren wahrgenommen werden, sei auch die Gestaltung der Packung.
Wer sich über Gefahrensymbole und ihrer Bedeutung kundig machen will, sollte bedenken, dass bald erneutes Umlernen angesagt ist. Schrittweise wird der Übergang zur weltweit gültigen GHS-Kennzeichnung (Globally Harmonized System) vorbereitet, die dem jetzigen System recht ähnlich ist. Die Umstellung ist in der Schweiz noch nicht datiert. Eines aber ist klar: die Giftklassen bleiben definitiv in der Mottenkiste.
Elisabeth Jacob
Zum Thema Pflanzenschutz werden wir auf dieser Site in den nächsten Monaten weitere Beiträge veröffentlichen.
Links:
Infos über das Giftgesetz und die Kennzeichnung giftiger Stoffe.
Pflanzenschutzmittel-Verzeichnis des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW)
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