Dübendorf, 05.03.2014 - Schweizer Fliessgewässer enthalten einen ganzen Cocktail an Pestiziden. Von rund 300 zugelassenen und erfassbaren Wirkstoffen wurden in einem aufwendigen Screening über 100 in Wasserproben gefunden. Jede Probe enthielt im Schnitt 40 unterschiedliche Stoffe.
In 78% der Proben lag die aufaddierte Pestizidkonzentration über 1µg/L. Für 31 Substanzen wurde der Grenzwert der Gewässerschutzverordnung verletzt. Eine Beeinträchtigung von Organismen in den Gewässern – namentlich durch Pflanzenschutzmittel – kann nicht ausgeschlossen werden.
So umfassend wurde noch nie nach Pestiziden in Schweizer Gewässern gesucht: Im Auftrag des Bundes hat die Eawag zusammen mit fünf Kantonen in fünf mittelgrossen Flüssen allen löslichen synthetischen Pflanzenschutzmitteln und Bioziden nachgespürt. Heute hat die Zeitschrift AQUA & GAS die Resultate in ihrer Nr. 3/2014 publiziert.
Vor allem Pflanzenschutzmittel
Hauptziel der Studie an den Flüssen Salmsacher Aach (SG), Furtbach (ZH), Surb (AG), Limpach (SO) und Mentue (VD) war es, herauszufinden, wie viele verschiedene Pestizide in diesen Gewässern vorkommen. Von rund 300 zugelassenen und analytisch nachweisbaren Wirkstoffen wurden 104 in den Flüssen gefunden, 82 davon waren reine Pflanzenschutzmittel. Aufgrund der neuen, umfassenden Daten zeigt sich, dass ein Grossteil der Pestizidbelastung heute den Pflanzenschutzmitteln aus der Landwirtschaft zuzuschreiben ist.
Hohe Summen-Konzentration
Die Summe aller Pestizidkonzentrationen war in 78% der Proben grösser als 1µg/L. Was dies für die Wasserqualität und die Auswirkung auf Organismen im Gewässer bedeutet, kann nicht generell beurteilt werden. Die beteiligten Forscherinnen und Forscher zogen aber Vergleiche mit dem pauschalen Anforderungswert der Gewässerschutzverordnung (maximal 0,1µg/L pro Einzelstoff) und dem toxikologisch abgestützten Qualitätskriterium für eine chronische Belastung (CQK): 40 Substanzen haben sich als problematisch herausgestellt: 21 Pestizide überschritten den Wert aus der Verordnung, 9 Stoffe das CQK und 10 beide Kriterien. Alle untersuchten – für das Mittelland durchaus typischen – Flüsse waren demnach in der Messperiode von März bis Juli erheblich durch verschiedenste Pestizide belastet. Auswirkungen auf Organismen müssen befürchtet werden. Problematisch sind dabei vor allem zwei Aspekte:
Durchschnittlich wurden 40 Stoffen pro Probe nachgewiesen. Selbst wenn die Konzentration jedes einzelnen dieser Stoffe das ökotoxikologische Qualitätskriterium nicht überschreitet, ist eine Beeinträchtigung von Organismen im Wasser durch diese Pestizidmischungen zu befürchten.
Die nachgewiesenen Konzentrationen pro Stoff lagen mehrfach über 0.1µg/L und vereinzelt sogar über 1µg/L. Das ist hoch, wenn berücksichtigt wird, dass es sich um Mischproben aus zwei Wochen handelte. Die kurzfristigen Spitzenkonzentrationen, so folgern die am Projekt Beteiligten, müssen teils vielfach höher liegen, für einzelne Substanzen wohl über der Grenze, über welcher sie akut toxisch wirken.
Differenzierte Beurteilung und Vorsorge nötig
Prof. Juliane Hollender, Leiterin der Eawag-Abteilung für Umweltchemie und eine der Autorinnen der Studie, war überrascht von den neuen Daten: «Ganz so sauber, wie immer wieder betont, scheinen die Schweizer Gewässer doch nicht zu sein», sagt sie. Doch die Studie mit einer nahezu kompletten Detektion aller Pestizide trage viel dazu bei, den relevantesten Wirkstoffen auf die Spur zu kommen. Diese könnten nun gezielter überwacht oder ihr Einsatz unter Umständen eingeschränkt werden. Zudem werde immer deutlicher, so Hollender, dass neben Tests mit einzelnen Stoffen auch eine Beurteilung der Mischungstoxizität nötig sei.
Teaserbild: @ CC, some rights reserved, Karl Bauer
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