Eine tauchende Maus, die ihre Beute mit giftigem Biss lähmt: Mit der Wasserspitzmaus (Neomys fodiens) kürt Pro Natura eine aussergewöhnliche Bachbewohnerin zum Tier des Jahres 2016. Mit dieser Wahl ruft die Naturschutzorganisation auf zum besseren Schutz unserer Gewässerräume vor Verbauung und Verschmutzung durch Pestizide und Düngemittel.
Unerschrocken stürzt sich der pelzige Winzling ins Wasser, taucht bis zum Grund und stochert kopfüber mit spitzer Schnauze zwischen Steinen nach Leckerbissen. Die Lebensweise der Wasserspitzmaus, Tier des Jahres 2016 von Pro Natura, verblüfft: Seine Nahrung erbeutet das kleine Säugetier mehrheitlich schwimmend und tauchend. Der niedliche Eindruck täuscht: Seine Opfer lähmt es mit einem giftigen Biss.
Auf sauberes Wasser angewiesen
Die Wasserspitzmaus lebt an kleinen bis mittleren Wasserläufen und stehenden Gewässern in der ganzen Schweiz. Sie ist auf sauberes, sauerstoffreiches Wasser angewiesen, in dem sie ein reich gedecktes Unterwasserbuffet vorfindet – Insektenlarven, Kleinkrebse, Schnecken, Muscheln, gelegentlich auch kleine Fische. Natürliche Ufer mit dichtem Bewuchs, unterspülten Bereichen, Baumwurzeln oder Steinblöcken bieten dem scheuen Kleinsäuger überlebenswichtige Deckung vor seinen Feinden wie etwa der Schleiereule, dem Reiher, dem Wiesel oder dem Fuchs.
Pestizide – die lautlose Gefahr
Keine Deckung gibt es für die flinke Taucherin vor einer weniger offensichtlichen Gefahr: vor Pestiziden im Wasser. Diese gelangen aus der landwirtschaftlichen Produktion in die Bäche. Schweizweit werden jährlich rund 2000 Tonnen solcher so genannter «Pflanzenschutzmittel» auf Äcker, Wiesen, Weinreben oder in Obstplantagen ausgebracht. Mit dem Regenwasser gelangt ein Teil davon in die Gewässer. Mit der Wahl einer Bachbewohnerin zum Tier des Jahres macht Pro Natura auf den besorgniserregenden Pestizidcocktail besonders in den kleineren und mittleren Fliessgewässern aufmerksam (siehe Box) und ruft auf zum besseren Schutz unserer Gewässer und ihrer Ufer.
Eine Maus, die keine ist
Die Wasserspitzmaus ist die grösste von 11 einheimischen Spitzmausarten. Sie misst ohne Schwanz 6 bis 10 Zentimeter und wiegt 10 bis 20 Gramm. Ihr Pelz ist zweifarbig mit hellem Bauch und schiefergrauem bis schwarzem Rücken. Zur Orientierung verlässt sie sich vor allem auf ihren guten Riecher und die Tasthaare an ihrem beweglichen Rüssel. Mit den «echten» Mäusen ist die Wasserspitzmaus trotz ihres Namens nicht näher verwandt. Während die eigentlichen Mäuse zur Ordnung der Nagetiere gehören und sich vorwiegend pflanzlich ernähren, zählen Spitzmäuse zur Ordnung der Insektenfresser. Ihre nächsten Verwandten sind Maulwürfe und Igel.
Besorgniserregende Pestizid-Werte
Die Eawag, das Wasserforschungsinstitut der ETH, publizierte 2014 eine Analyse von fünf mittelgrossen Schweizer Wasserläufen mit alarmierenden Resultaten: In jeder Probe konnten im Durchschnitt 40 Pestizide nachgewiesen werden. Insgesamt wurden über 100 verschiedene Pestizide nachgewiesen.
Nicht allein die Vielzahl der Giftstoffe, sondern auch die Konzentrationen der einzelnen Pestizide sind alarmierend. Sie lagen oft über dem Grenzwert der Gewässerschutzverordnung. Die vorsichtige Schlussfolgerung der Eawag-Forscher: «Eine Beeinträchtigung der Organismen in den Gewässern kann nicht ausgeschlossen werden.»
Im Vorjahr warnte das Bundesamt für Umwelt Bafu in seiner Situationsanalyse zu den Schweizer Fliessgewässern, dass vor allem in kleinen und mittleren Fliessgewässern Pestizidkonzentrationen gemessen würden, welche die Biodiversität negativ beeinflussten. In beiden Analysen wird die intensive Landwirtschaft als Hauptverursacherin genannt. Das Bafu fordert deshalb «wirkungsvolle Massnahmen», um die Belastung der hiesigen Wasserläufe zu verringern. Pro Natura fordert eine deutliche Reduktion des Pestizideinsatzes sowie ein Verbot besonders umwelt- und gesundheitsschädlicher Pestizide.
Eawag-Mitteilung zur erwähnten Studie (2014): http://bit.ly/1NfYylh
Bafu-Analyse der Fliessgewässer (2015): http://bit.ly/1NZK9NM
Teaserbild: Ungewöhnliche Jagdgründe, die Wasserspitzmaus erbeutet den Grossteil ihrer Nahrung unter Wasser. © PRISMA / Dalton
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