Die häufig als 'Steingärten' bezeichneten Vorgärten geistern bereits seit Monaten durch die Presse, im Buchladen finden sich mehrere Bücher zum Thema und auch in den Sozialen Medien schlägt es immer grössere Wellen. Die grauen Flächen sind längst in der Politik angekommen und werden heiss diskutiert.
Sie spalten die Geister und Geschmäcker. Grund sind vor allem die negativen Auswirkungen von Steinen, Kies und Schotter im Vorgarten für die Umwelt, das Kleinklima und die Insekten- und Vogelwelt. Doch stimmt das auch?
Steingarten vs. Schotterwüste
Zur Einordnung ist es wichtig, eine landläufige Fehlannahme aus dem Raum zu schaffen: Auch wenn man es häufig liest, handelt es sich bei den grauen Vorgärten nicht um 'Steingärten'! Vielmehr müsste man sie 'Schotterwüsten' nennen. Steingärten sind einer alpinen Hochlandschaft nachempfunden, neben Steinen integrieren sie vor allem eine Vielzahl an Pflanzen, die von Natur aus an karge Böden gewöhnt sind, und bieten in den Steinzwischenräumen Insekten wichtige Rückzugsorte. Demgegenüber besteht die 'Schotterwüste' fast ausschliesslich aus Schotter und Kies. Lebendiges Grün spielt keine Rolle, nur hin und wieder dürfen Koniferen, kleinere Gräser oder auch kugelrunde Buchsbäume als Statisten auftauchen und möglichst unveränderlich durch das Jahr für etwas Farbe sorgen. "Anders als typische, trockenheitsresistente Gebirgsvegetation wie Sonnenröschen, Heidenelke oder Dalmatiner-Glockenblume kommen diese Gewächse in der Regel allerdings schlecht mit steinigem Untergrund zurecht", betont Achim Kluge vom Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL) e.V.. "Sie brauchen viel Aufmerksamkeit und Pflege, um an solch einem Standort zu überleben. Das gilt vor allem während des Sommers, wenn sich Kies und Schotter am Tage stark aufheizen und die Temperaturen in ihrer direkten Nähe in die Höhe treiben."
Ein weiteres Problem ist der Umgang mit Wildkräutern. Während Steingärten auf dichte Bepflanzung, Polsterstauden und Bodendecker setzen, die unerwünschten Gewächsen kaum Platz lassen, soll bei Schotterflächen ein unter der Steinschüttung liegendes Unkrautvlies Wildwuchs grundsätzlich verhindern. Hier liegt jedoch die zweite landläufige Fehlannahme: Schotterflächen sind nicht pflegeleicht! Tatsächlich kann auch das Vlies nicht verhindern, dass sich zwischen dem Kies organisches Material, wie Samen und Blätter, ansammelt. Dieses bildet mit der Zeit eine Humusschicht, die wiederum hartnäckigen Unkräutern, aber auch Flechten und Moosen ideale Bedingungen zum Wachsen bietet. Gepflegt bzw. wie von den Gartenbesitzern erwünscht sieht solch eine Fläche nur während der ersten Monate aus.
Kies und Schotter: So geht’s gut
Steine, Kies und Schotter als Gestaltungselemente sind aber natürlich nicht per se schlecht. Es kommt ganz darauf an, wie man sie einsetzt. Wichtig ist, dass sie nicht die Hauptrolle spielen und die Pflanzen ausreichend Raum zum Wachsen und Blühen haben. Denn Grün im Vorgarten ist wichtig, zum einen für das Kleinklima, aber auch als Rückzugsort und Nahrungsgrundlage für Insekten und Vögel. "Neben der Nachahmung einer Gebirgslandschaft gibt es auch die Möglichkeit, einen attraktiven Kiesgarten anlegen zu lassen", so Kluge vom BGL. "Hier umschmeichelt der Kies als Mulchschicht trockenheitsresistente Pflanzen wie Lavendel, Fetthenne oder Katzenminze und schafft im natürlichen Zusammenspiel mediterranes Flair. Auch Gräser fügen sich harmonisch ins Gesamtbild ein. Prozentual nehmen die Gewächse deutlich die grösste Fläche ein, der Kies tritt in den Hintergrund." Sollen Steine, Schotter und Kies präsenter sein, können sie auch bewusst an wenigen Stellen als Blickfang positioniert werden – beispielsweise als imposante Findlinge, die aus der Bepflanzung hervorragen, als natürlich anmutende Grundstücksbegrenzung, in Form einer Trockenmauer, einer Treppe oder einer Bank. Bei grösseren Flächen empfiehlt sich auch ein Kiesweg, der von der Strasse bis zum Haus führt.
Steine im Vorgarten können zudem von ganz praktischem Nutzen sein. So ist das Mulchen mit Kies oder Split ökologisch und gartenbautechnisch gerade bei Staudenpflanzungen durchaus ratsam. "Wichtig ist helles und feines Material, das sich nicht zu stark aufheizt und eine relativ dichte Schicht bildet", erklärt Kluge. "Zu Anfang nimmt der Splitt noch einen grossen Anteil ein, doch nach und nach überwachsen die Stauden und Gräser den Kies und verdecken mit ihren Blättern und Blüten den meisten Bodenraum." Auch als sogenannte Spritzschutzstreifen entlang der Hausmauer werden Kies und Schotter häufig eingesetzt. Dort sorgen sie unter anderem dafür, dass bei Regen keine Erde an die Fassade spritzt. "Zwar verleitet die aktuelle Debatte um Schotterflächen dazu, Steine, Schotter und Kies generell zu verteufeln, tatsächlich tut man den grauen Naturmaterialien damit aber unrecht", betont Kluge vom BGL. "Vielmehr plädieren wir für eine bedachte Verwendung von Kies und Schotter, die nicht gegen, sondern mit der Natur denkt. An allererster Stelle sollte bei der Planung auch im Vorgarten immer eine abwechslungsreiche Vielfalt von Pflanzen stehen, die sich in solch einer Umgebung wohlfühlen. Dann ist der Vorgarten sowohl attraktiv als auch pflegeleicht und gut für die Umwelt." Weitere Informationen gibt es auf www.rettet-den-vorgarten.de.
BGL
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