Individualisierung findet auch im Garten statt: "Pflanzen sind die Markenzeichen eines guten Landschaftsgärtners". Interview mit Michael Dreisvogt, Leiter das Arboretum Härle in Bonn-Oberkassel.
Michael Dreisvogt ist Landschaftsgärtner und Ingenieur für Landschaftsarchitektur. Seit 2001 leitet er das Arboretum Härle in Bonn-Oberkassel (www.arboretum-haerle.de). Er pflegt gemäss Stiftungsziel einen intensiven Austausch mit anderen Arboreten, botanischen Gärten und vergleichbaren Sammlungen. Ziel seiner Arbeit ist es, zu einer vertiefenden Kenntnis heimischer und nicht heimischer Gehölze und Stauden beizutragen.
Was darf der Besucher des Arboretum Härle erwarten?
Dreisvogt: Unser Garten bietet vor allem eine umfangreiche Pflanzensammlung, alten Baumbestand und vielfältig gestaltete Beete mit Gehölzen, Stauden und Blumenzwiebeln in einer abwechslungsreichen Topographie. Dabei sind wir kein Botanischer Garten – es geht hier vor allem um die sinnliche Wahrnehmung von Gartensituationen, um Ein- und Ausblicke. Unser Thema ist eher ein ästhetisches Garten-Erleben als ein streng botanisches Studium. Denn der Garten wurde von der Künstlerin Maria Härle gestaltet.
Dennoch: Die meisten Pflanzen sind etikettiert und da wir ausser an den Tagen der offenen Tür überwiegend thematische Führungen anbieten, steht die Vermittlung von Pflanzenkenntnissen im Vordergrund. Unsere Besucher sind garten- und kulturinteressierte Menschen, die Anregungen suchen und erfreulicherweise auch immer mehr Fachleute, Landschaftsplaner und Landschaftsgärtner.
Seit einigen Jahren gibt es eine öffentliche Debatte und viel Publizität über Themen wie Naturnähe und biologische Vielfalt im Garten. Stellen Sie auch so etwas wie ein verstärktes Interesse an besonderen Pflanzen fest?
Dreisvogt: Unbedingt, das Besondere ist mehr denn je gefragt. Auch die Sortimente der Baumschulen und Staudengärtnereien sind ja hochdynamisch, wobei neue Pflanzen bei weitem nicht immer Neuzüchtungen oder neue Selektionen sind. Wir testen hier beispielsweise Pflanzen aus anderen Erdregionen oder solche, die früher einmal in der Gartenkultur verbreitet waren, dann aber in Vergessenheit geraten sind. Auch in alter Fachliteratur findet man echte Pflanzenschätze. Dies geschieht übrigens auch mit Bezug zum Klimawandel. Vor allem bei Gehölzen, ob für private Gärten oder das öffentliche Grün, sind Anpassungen an die klimatischen Veränderungen gefragt. "Klimafest" bedeutet heute vor allem, dass Pflanzen mit längeren Trockenzeiten auskommen, hohe Nachttemperaturen vertragen, aber auch Nasszeiten und Staunässe oder Spätfröste aushalten. Vielfalt ist in Zukunft von besonderer Bedeutung auch mit Blick auf Pflanzenkrankheiten und Schädlinge. Wir haben hier beispielsweise eine Vielzahl von "Buchsersatzpflanzen" getestet – Sarcococca, Ruscus, kleine Berberis, Choisya-Sorten und mehr. Wir testen Pflanzen aus dem mediterranen Raum, vom Balkan, aus Trockengebieten der USA und beobachten dabei auch, wie sich die heimische Fauna zu diesen Pflanzen verhält. Unsere Besucher interessieren sich tatsächlich sehr für Exoten und aussergewöhnliche Pflanzen.
Wie schaffen Sie es, einerseits den Bestand des Arboretums zu erhalten und doch immer wieder neue Pflanzkombinationen auszuprobieren?
Dreisvogt: Der Erhalt des Arboretums ist natürlich Teil des Stiftungsauftrags, aber der Garten verändert sich trotzdem – so wie alles, was lebt. Diese Entwicklung ist auch im Leitbild enthalten. Wir müssen immer mal hier und da Pflanzen herausnehmen, etwa weil sie sich zu stark entwickelt haben. Aber es gilt ja für jeden Garten, dass er einer Dynamik unterliegt. Gerade deshalb ist die kompetente Pflege so wichtig. Wenn Menschen ältere Fotos ihres eigenen Gartens sichten, staunen sie oft und erkennen in der Rückschau die teilweise enorme Entwicklung auf kleinem Raum. "Ein Garten ist nie fertig", heisst es und genau das macht den besonderen Reiz eines Gartens aus.
Im Leitbild der Stiftung wird deutlich, wie wichtig es Ihnen ist, "Gartenbilder" zu schaffen. Welche Rolle hat ganz allgemein die Pflanzenauswahl für die Gartengestaltung?
Dreisvogt: Pflanzen sind mit Abstand das Wichtigste im Garten und die Corona-Pandemie hat das Bewusstsein dafür noch verstärkt.
Ein eigener Garten ist für sehr viele Menschen ein grosses Ziel, die Pflanzenauswahl ist unerschöpflich und für jede Gartensituation gibt es vielfältige Möglichkeiten. Eben weil das Spektrum so immens gross ist, kann der Wunsch nach einem individuellen Garten erfüllt werden. Dass dabei bestimmte Elemente bzw. Pflanzkombinationen zum Einsatz kommen, bietet sich an und das empfehle ich auch den Planern und Landschaftsgärtnern. Aber klar ist, dass aussergewöhnliche Pflanzen die Markenzeichen eines guten Landschaftsgärtners sind! Und je individueller und attraktiver die Gärten werden, umso mehr bieten sie den Kunden einen echten Zugewinn an Lebensqualität.
Das Ziel sollte sein, nicht nur Gartenbilder zu schaffen, also etwas fürs Auge, sondern Atmosphären zu erzeugen und Gartenstimmungen, Düfte, Licht- und Schattenspiele professionell zu gestalten.
Sie sind unter anderem aktiv als Partner und Koordinator im "Exzellenzstipendien für Gartenkultur" der Stiftung Zukunft NRW. Wie wichtig ist Pflanzenkenntnis im Garten- und Landschaftsbau?
Dreisvogt: Die fachgerechte Pflege ist leider immer noch eine vielfach unterschätzte Aufgabe im GaLaBau. Wie gesagt, jeder Garten unterliegt einer dynamischen Entwicklung und die will professionell begleitet sein. Deshalb engagieren wir uns in dem Stipendienprogramm: Eine solide Pflanzenkenntnis ist die Voraussetzung für gute Pflege und sie führt erst zu einem wirklich funktionierenden Garten. Und je anspruchsvoller die Gärten werden, umso höher ist auch die gärtnerische Herausforderung an die Fachbetriebe. Übrigens ist die Basisidee des Stipendiums die langfristige Förderung der Gartenkultur in NRW.
Sie plädieren für den Blick auf die kleinen Dinge. Was empfehlen Sie Landschaftsgärtnern?
Dreisvogt: Lehr- und Wanderjahre nach der Ausbildung! Junge Menschen sollten Erfahrungen auch in anderen Betrieben und in anderen Sparten des Gartenbaus mitnehmen, neugierig sein und auch später mutig, Neues ausprobieren. Ich finde es wunderbar, wenn Fachleute dann der Kundschaft auch diesen Blick auf die kleinen Dinge weitergeben: die Tautropfen im Gras, die Knospen der Gehölze im Frühjahr, die Textur von Baumrinden … Diese Dinge zu sehen, ist auch ein Lernstück, aber das macht doch jeden Tag im Garten zu einem Geschenk.
Mehr unter www.arboretum-haerle.de/ und www.galabau.de.
BGL
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