Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts war Mülheim am Rhein eine eigenständige Stadt und Sitz zahlreicher, grosser Industriebetriebe. 1914 erfolgte die Eingemeindung nach Köln. Heute gehört der Bezirk am rechten Flussufer zu den bevölkerungsreichsten Stadtteilen der Dom-Metropole und hat sich – nachdem 2008 Fernsehstudios und eine Verlagsgruppe in leerstehende Industriegebäude einzogen – auch zu einem wichtigen Kultur- und Medienstandort entwickelt.
Derzeit wird in der dortigen Schanzenstrasse wieder gross gebaut: Ein Joint-Venture aus Art-Invest Real Estate und OSMAB Holding AG entwickelt derzeit auf dem sieben Hektar grossen Areal des ehemaligen Güterbahnhofs das neue Quartier „I/D Cologne“. Die Bezeichnung steht für die Identität und Individualität dieses Projektes, das sich speziell an die Bedürfnisse der „New Industry“ richtet und digitale Wirtschaft, Industrie und Kreativität miteinander verknüpfen will. Zehn Gebäude mit Bruttogrundfläche von 160.000 Quadratmetern werden dafür errichtet, konzipiert von verschiedenen Architekten, um ein möglichst vielseitiges Bild zu erschaffen. Häufig finden sich in der Form- und Materialwahl direkte Bezüge zu der industriell geprägten Bebauung der Nachbarschaft. Zukünftig sollen dort sowohl zusammenhängende Flächen für Grossmieter als auch kleinere Einheiten zur Verfügung stehen.
Nicht Sommer wie Winter: Fassade mit über 5'000 Schlingpflanzen
Das neue, hochmoderne Parkhaus im Quartier ist bereits fertiggestellt. Auf sechs Ebenen bietet es 896 Stellplätze, 24 Ladestationen für Elektromobilität sowie zusätzliche Flächen für Fahrräder. Entworfen wurde das Gebäude vom Büro slapa oberholz pszczulny | sop architekten aus Düsseldorf. Optisch bildet der Baukörper einen starken Kontrast zu den umliegend entstehenden Immobilien mit ihren dunklen Ziegelklinkern. Denn die rund 2.000 Quadratmeter grosse Frontfassade besteht aus einer metallischen Netzstruktur, an der mehr als 5.000 Schling- und Kletterpflanzen emporwachsen. Für das Projekt wurde das System ‚Elata‘ vom schwäbischen Unternehmen Helix Pflanzensysteme – zuständig für die Begrünung – modifiziert und an die Gegebenheiten und Anforderungen in Köln angepasst.
„Wunsch des Bauherren war es, dass die Bepflanzung zum einen wintergrün ist, zum anderen aber auch den Wechsel der Jahreszeiten widerspiegelt“, so Jonathan Müller, Geschäftsführer bei Helix Pflanzensysteme. „Deshalb haben wir Efeu und das Immergrüne Geissblatt mit drei sommergrünen Schlingpflanzen kombiniert: Wilder Wein mit seiner fantastischen Herbstfärbung, Traubenkiwi, die interessante Früchte trägt, und die blütenprächtige Klematis. Diese Mischung sorgt ganzjährig für ein schönes Bild.“
Entwicklung und Pflege
Insgesamt wurden 300 Meter Pflanzgefässe an dem Gebäude angebracht. Sie stehen nur auf jeder zweiten Ebene, weshalb die Schling- und Kletterpflanzen etwa fünf bis sechs Meter wachsen und überbrücken müssen, damit eine komplett geschlossene Vegetationsschicht entsteht. Wo es der Untergrund zuliess, konnten im Erdgeschoss zusätzlich Gewächse direkt in den Boden gepflanzt werden. „Damit sich ein grosser Teil der 16 Meter hohen Fassade bereits zur Eröffnung des Parkhauses grün zeigte, haben wir die Gewächse schon drei Monate vor ihrer Auslieferung in die entsprechenden Pflanzkästen gesetzt. So konnte sich das Wurzelwerk gut entwickeln und die Pflanzen, als sie ihren Bestimmungsort erreicht hatten, gleich das Netz erklimmen“, erläutert Müller. „Bis die Pflanzenwand üppig und dicht ist, vergehen etwa zwei bis drei Jahre. In dieser Entwicklungszeit werden die neuen Triebe regelmässig von uns in das Stahlnetz eingeflochten. Wenn es dann soweit ist, hat dieses Parkhaus in Köln eine der grössten vertikal begrünten Fassadenflächen Deutschlands.“
Die anschliessende Unterhaltspflege der Begrünung ist überschaubar. Für eine optimale Versorgung sind beim System ‚Elata‘ alle Pflanzgefässe an eine computergesteuerte, vollautomatische Bewässerungs- und Düngeanlage angeschlossen. „Die digitale Steuerung macht das Monitoring und etwaiges Eingreifen jederzeit und von überall aus möglich“, erklärt Müller. „Um Ressourcen zu schonen, wird Regenwasser gesammelt. Damit kann der Grundbedarf der Gewächse gedeckt werden. Die Speicherkanister befinden sich platzsparend unter einer Auffahrt des Parkhauses.“ Etwa zweimal im Jahr sind die Gärtner vor Ort. Dann erfolgt ein Rückschnitt der Pflanzen, um ein einheitliches Bild zu wahren und Bereiche, die nicht zuwachsen sollen, freizuhalten.
Charakter und Wirkung
Die Netzstruktur mit den Schling- und Klettergewächsen verleiht dem Parkhaus einen ganz besonderen Charakter. „Die gewebte Fassade und die von Wänden befreiten Ebenen sorgen für weite und unverstellte Blickbeziehungen zur durchdringenden Bepflanzung. Die Wege leiten durch das umgebene Grün und inszenieren das Durchqueren eines spürbaren Grünraums“, so beschreiben es die Architekten auf ihrer Webseite. Aber natürlich sind die Pflanzen nicht nur ein Gestaltungselement, sondern wirken sich zudem positiv auf das Gebäude und die direkte Umgebung aus: Das Grün absorbiert Feinstaub und CO2 und setzt Sauerstoff frei. Durch die Beschattung und die Wasserverdunstung schaffen die Pflanzen in den Sommermonaten ein angenehmes, kühles Klima im Parkhaus. Darüber hinaus fördern solche zusätzlichen Grünflächen die Artenvielfalt im urbanen Raum. Schon bald werden hier Vögel nisten und Insekten nach Nahrung suchen.
[Helix]
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