
2024 veröffentlichte das Bundesamt für Familie, Senioren, Frauen und Jugend den ersten Einsamkeitsbarometer der Bundesregierung. Dabei handelt es sich um eine umfassende Analyse der letzten 30 Jahre im Hinblick auf das Einsamkeitsempfinden der Bürger*innen.
Das Ergebnis: Einsamkeit ist vielschichtig und eine wachsende gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Besonders dramatisch war dieser Zustand während der Corona-Pandemie und belastete erstmals vor allem junge Erwachsene und Frauen, die Angehörige pflegten oder Care-Arbeit leisteten. Das besserte sich nach der Aufhebung aller Beschränkungen zwar wieder – doch die Prozentzahl an Menschen, die sich regelmässig allein fühlen und unter "sozialer Einsamkeit" leiden, ist weiterhin hoch.
Einsamkeit ist aber nicht nur ein "unangenehmes Gefühl", sondern kann auf Dauer so belastend sein, dass sie sich negativ auf die körperliche und psychische Gesundheit auswirkt. Aus diesem Grund nahm sich auch die Techniker Krankenkasse (TK) jüngst dem Thema an und brachte den Einsamkeitsreport 2024 heraus. Er basiert auf einer bevölkerungsrepräsentativen, telefonischen Umfrage, durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut Forsa, und ergab, dass sich hierzulande knapp die Hälfte der Menschen hin und wieder, vier Prozent sogar häufig, einsam fühlen. Etwas dagegen zu unternehmen, fällt den meisten nicht leicht. So gab ein Drittel der Befragten an, sich schwer zu tun, neue Kontakte zu knüpfen und fremde Personen anzusprechen. 78 Prozent der Männer und 60 Prozent der Frauen empfinden das Thema sogar als Tabu und verschweigen das Gefühl ihren Mitmenschen. Stattdessen setzt der Grossteil auf Ablenkung. Über 70 Prozent gaben als Strategie gegen Einsamkeit an, in diesen Momenten Musik oder Podcasts zu hören, Serien oder Filme zu schauen oder sich dem Haushalt zuzuwenden. 71 Prozent entscheiden sich stattdessen für einen Spaziergang, während etwas über die Hälfte sich im Garten die Zeit vertreibt.
"Diesen Aspekt finden wir sehr spannend, vor allem im Hinblick auf unsere Initiative ,Rettet den Vorgarten‘, mit der wir unter Anderem den sozialen Aspekt des Vorgartens hervorheben", sagt Dr. Michael Henze vom Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. (BGL). "Denkt man an frühere Zeiten, dann wurden vor der Haustür häufig alltägliche Hausarbeiten durchgeführt – immer bereit für ein kurzes oder auch mal längeres Gespräch mit Nachbar*innen und Spaziergänger*innen. Im Vorgarten kam man in Kontakt mit anderen Menschen." Dieser kommunikative Aspekt ist im Laufe der letzten Jahrzehnte jedoch in den Hintergrund gerückt – dabei könnte er sich in der heutigen Zeit positiv auf unsere eigene Stimmung und das Verhältnis zur Nachbarschaft auswirken. Und gerade unsere wohnliche Umgebung spielt bei diesem Thema auch eine entscheidende Rolle, wie der TK-Einsamkeitsreport zeigt: Menschen mit einem guten Verhältnis zu den Personen aus der eigenen Strasse oder Ortschaft fühlen sich weniger einsam. Die Nachbarschaft kommt direkt hinter der Familie, einem guten Hobby und engen Freundschaften und bildet ein soziales Netz, das auffangen und die Einsamkeit abfedern kann. Doch wie baut man eine gute Nachbarschaft auf?
"Im Vorgarten kann man relativ einfach und vor allem niedrigschwellig in den Austausch mit Mitmenschen gehen", betont Dr. Michael Henze vom BGL. "Ob man dort mit dem Morgenkaffee auf einer Bank sitzt, Unkraut jätet oder die Stauden giesst, den Lavendelduft aufnimmt oder im Schatten des Hausbaums den Sonnenuntergang erlebt, die Kontaktaufnahme mit vorbeispazierenden Personen ist hier deutlich einfacher als im Kino, einer Bar oder auf einer Bank in der Innenstadt." Immerhin sei ein Thema schnell gefunden, so der Experte, zum Beispiel die blühenden Pflanzen, das Parfum der Rosen, die summenden Bienen oder auch einfach das schöne Wetter, das man im Vorgarten geniessen kann. Aber das gehe nur, wenn die Fläche vor dem Haus auch entsprechend gestaltet sei. "Meterhohe Zäune oder Hecken sind da wenig hilfreich, wohingegen eine offene Anlage ohne Barrieren mit einer einladenden Atmosphäre die Basis für einen freundlichen Austausch schafft", betont Dr. Michael Henze. "Auf einer ungemütlichen, im Sommer sich aufheizenden Schotterfläche hält man sich ganz sicher nicht auf, um ein Pläuschchen zu führen. Aber auf einer Hausbank, umgeben von Stauden und sich leicht im Wind wogenden Gräsern, verbringt man gerne seine Zeit, bis sich eine Unterhaltung ergibt."
Der Vorgarten ist ein halböffentlicher Ort und so sollte er auch angelegt werden, damit sich die Hausbesitzer*innen daran ebenso erfreuen wie Paketbot*innen oder Spaziergänger*innen. So können erste, zarte Bande geknüpft werden mit der Nachbarschaft, die sich im Laufe der Zeit festigen. "Kommunikativ gestaltete Vorgärten sind eine von vielen Möglichkeiten, der Einsamkeit zu begegnen – aber immerhin eine, die wir selber in der Hand haben", hebt Dr. Michael Henze hervor. Und wer keinen eigenen Vorgarten hat, wählt stattdessen die andere Seite: Zu Fuss lässt sich die Wohngegend völlig neu erleben und mit den Menschen, die sich gerade vielleicht genau so einsam fühlen, ganz natürlich in Kontakt kommen. Mehr zu Vorgärten und ihren Vorteilen sowie Kontaktdaten von landschaftsgärtnerischen Fachbetrieben, die bei der Gestaltung einladender Grundstücke unterstützen, gibt es auf www.mein-traumgarten.de/vorgarten.
BGL
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