Was ist eigentlich Biokohle?
Der Begriff Biokohle bezieht sich auf das Ausgangsmaterial, das aus allen denkbaren organischen Materialien besteht: Rüstabfälle, Gärtrester, Schlachtabfälle, Tiermist, Kehrichtschlacke. Zahlreiche weitere Reststoffe aus Holz-, Lebensmittelindustrie, Landwirtschaft oder Gartenbau wären denkbar, die bis anhin in der Kehrichtverbrennungsanlage gelandet sind.
Zwei verschiedene Verfahren zur Herstellung von Biokohle werden derzeit angewandt: die hydrothermische Karbonisierung (HTC) und die Pyrolyse.
Verkürzter Inkohlungsprozess
Die hydrothermale Karbonisierung (HTC), basiert etwas vereinfacht ausgedrückt auf dem System Dampfkochtopf. Organische Abfälle werden in einem Reaktor mit viel Wasser bei einer Temperatur von ca. 200 Grad und unter hohem Druck (ca 20-40 bar) „gekocht“. Der Prozess dauert, je nach gewünschtem Resultat, zwischen 30 Minuten bis zu mehreren Stunden. Je nach Kochdauer kann Torf, Braunkohle, Steinkohle oder Erdöl gewonnen werden. Der Prozess der Inkohlung kann also dank dieser Methode von mehreren Millionen Jahren auf ein paar Stunden reduziert werden.

Die benötigte Energie wird aus dem Prozess selbst gewonnen. Neben dem festen Produkt, das in Form von sogenannter HTC-Kohle vorliegt, entsteht Prozesswasser, das je nach Ausgangsmaterial verschiedene Stoffe enthält. Einerseits Nährstoffe, deren Pflanzenverfügbarkeit noch erforscht wird; möglicherweise auch Schwermetalle, die eine Weiterverwendung verunmöglichen. Das Prozesswasser wird derzeit über Kläranlagen entsorgt. Seine genaue Zusammensetzung und eine sinnvollere Verwendung (z.B. als Pflanzendünger) werden derzeit an verschiedenen Hochschulen erforscht.
Die HTC-Kohle hat eine dichte, homogene Struktur, weil sie hohem Druck ausgesetzt war und dadurch die Zellstruktur der Biomasse zerstört wurde. Der Brennwert von Biokohle ist deshalb sehr gut.
Dass Biokohle in gewissen Böden ein nützlicher Hilfsstoff war, der einerseits die Wasserhaltefähigkeit und die Bindung von Nährstoffen verbesserte, ist eine Tatsache, die sich frühere Kulturen in anderen Regionen der Welt zunutze gemacht hatten und teilweise heute noch praktizieren (siehe >Terra Preta).
Wiederentdeckung eines bekannten Verfahrens
Beim Verfahren der hydrothermalen Karbonisierung (HTC) handelt es sich nicht um eine neue Idee. Erfunden und patentieren lassen hat es bereits Anfang der 20er Jahre der Chemiker und Nobelpreisträger Friedrich Bergius (1884-1949)- Er hat als Erster den Inkohlungsprozess auf wenige Minuten reduziert. Sein Ausgangsmaterial war Torf, den er zu Braun-, Steinkohle und zu einer benzolartigen Flüssigkeit verkochte. Wenig Beachtung fanden diese Verfahren wegen Wirtschaftskrise, Weltkriegen und später auch durch das Aufkommen des Erdöls.

Bild li: Versuchsreaktor an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), Wädenswil/E. Jacob
Die Arbeiten von Bergius aus dem frühen 20. Jahrhundert wurden von Markus Antonietti, Forscher an der Max-Planck-Gesellschaft in Potsdam wieder entdeckt. Er hat sich 2006 in die Arbeiten von Bergius vertieft und seinen Instant-Inkohlungsprozess vorgenommen: Er füllte einen Dampfkochtopf mit Laub, Stroh, Gras und Pinienzapfen und setzte den Topf während 12 Stunden bei einer Temperatur von 180 Grad unter Druck. Das Verfahren wurde als hydrothermale Karboniserung bezeichnet.
Fragen zur Nutzung
Die Wiederentdeckung der hydrothermalen Karbonisierung liess zahlreiche Visionen und mögliche Nutzungen entstehen. Inzwischen sind Hochschulen in Zusammenarbeit mit innovativen Kleinunternehmen in Deutschland und der Schweiz an der Arbeit.
Unbestritten ist, dass Biokohle eine effiziente energetische Nutzung von Biomasse darstellt. In der Schweiz wird sich allerdings die Frage stellen, wo sie einen sinnvollen Platz findet zwischen Kompostierwerken und Biogasanlagen. Eine Konkurrenzierung, um das gleiche Ausgangsmaterial scheint wenig sinnvoll.
Ob Biokohle zur Bodenverbesserung (Nährstoff- und Wasserspeicher) in der Landwirtschaft und im Gartenbau eingesetzt werden kann, ist noch ungewiss. Vorerst muss geklärt werden, ob Schwermetalle abgegeben werden, wie strukturstabil das Material ist und in welchem Mass und Zeitraum keimhemmende Stoffe wie Phenole abgegeben werden.
Pyrolyse, altbekanntes Verfahren, neu genutzt
Ein weiteres Verfahren zur Herstellung von Biokohle stellt die Pyrolyse dar, das klassische System der Kohleherstellung. Dazu werden Öfen benötigt, die grosse Hitze entwickeln (400-600 Grad). Im April 2010 nahm die Firma Swiss Biochar in Lausanne einen Pyrolyse-Ofen in Betrieb, der in der Lage ist, jährlich 380 Tonnen Biokohle und 1200 MWh Energie zu liefern. Bei einer Temperatur von 400 Grad wird aus dem organischen Material 60% Kohle gelöst und zusätzlich brennbares Gas gewonnen, das für den Betrieb des Ofens eingesetzt wird.
Swiss Biochar arbeitet zusammen mit der Weinbaugenossenschaft Delinat. In ihrem eigenen Versuchs-Rebberg im Wallis wird unter anderem Pyro-Kohle eingesetzt. Dies ist allerdings nur eine von mehreren Aktivitiäten, um das Bodenleben und die Artenvielfalt in und um den Rebberg zu fördern. In verschiedenen Forschungsprojekten untersucht Delinat die Auswirkungen auf den Boden, die Pflanzen und die Ernte und die Bindung von Kohlendioxid.
Ein praktischer Versuch richtet sich an Freizeitgärtnerinnen und –gärtner: 500 Interessierte sind gesucht, die in ihren Gärten einen Versuch mit Pyro-Kohle zur Bodenverbesserung unternehmen möchten und diesen genau beschreiben sollen. Bis zum Spätherbst 2010 haben sich an die 150 Interessierte gemeldet. Erste Erfahrungsberichte werden im nächsten Jahr erwartet.
Terra preta als Vorbild (Bild re)
Eine praktische Nutzung von Kohle zur Bodenverbesserung war vor Jahrtausenden bekannt und führte dazu, dass im Amazonasgebiet hunderttausende von Menschen ernährt werden konnten. Tropische Böden in Südamerika, aber auch in Zentral- und Westafrika sind nährstoffarm, stark sauer, eisen- und aluminiumhaltig; sie werden in der Bodenkunde Ferralsol genannt. Diese Böden werden von häufigen Regenfällen ausgewaschen und enthalten kaum Nährstoffe. Die landwirtschaftliche Nutzung ist praktisch unmöglich..
Wie kam es, dass Flächen (jeweils zwischen 1 u. 20 ha Grösse) mit fruchtbarer, schwarzer Erde (=terra preta) in Brasilien entdeckt wurden, die vor 1000-2000 Jahren, manche gar vor 7000 angelegt wurden? Die Untersuchung dieser Böden begann in den 60er Jahren. Bodenkundler fanden in den Böden Kohlestückchen, Tonscherben und organisches Materialien. Den Volksgruppen dieser Region waren Methoden bekannt, wie sie die nährstoffarmen Böden nutzbar machen konnten. Kohle in Kombination mit organischen Abfällen war ihre Überlebensstrategie, denn ohne eine wirksame Methode zur Verbesserung der Böden, hätten diese Volksgruppen nicht überlebt.
Ergebnisse der Erforschung tropischer Böden sind nur bedingt auf europäische Bodentypen übertragbar, denn ganz anders ist deren Struktur, Humusanteil, pH-Gehalt, und Wasserhaltekraft.
Das jahrtausendealte Wissen machten sich bereits drei findige Geschäftsleute aus Deutschland zu eigen, indem sie das Verfahren weltweit zum Patent angemeldet haben. „Verfahren zur Herstellung von humus- und nährstoffreichen sowie wasserspeichernden Böden oder Bodensubstraten für nachhaltige Landnutzungs- und Siedlungssysteme“, heisst der Titel des Patentgesuchs. Altbekanntes patentieren lassen, als ob es eine eigene Erfindung wäre. Ziemlich dreist.
Topfversuche mit Biokohle
An einer Fachtagung zu Biokohle in der Schweiz (21. Okt. 2010 an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil präsentierten mehrere Institute Ergebnisse aus Topfversuchen mit HTC-Kohle und Pyro-Kohle.
An der ZHAW Wädenswil wurden verschiedene HTC-Kohlen, (Ausgangsmaterialien), gemörserte und gröbere Pyro-Kohle getestet. Es wurde Krautstiel ausgesät und in der zweiten Versuchsanlage Mais gepflanzt. Die Folgerungen aus diesen Versuchen: Die Zugabe von Biokohle kann Pflanzenwachstum und Bodenleben positiv beeinflussen, kann aber auch negative Effekte haben. Eine Vermutung liegt nahe, dass eine gewisse Wartefrist nötig ist, da frische HTC-Kohle möglicherweise wachstumshemmende Stoffe abgibt (ev. Phenole). In einigen Proben mit Pyro-Kohle wurden erhöhte Kaliumwerte festgestellt.
Bild re: Versuch mit Maispflanzen in Wädenswil. Die Substrate enthalten unterschiedliche Mengen HTC- und Pyrolyse-Kohle.
Versuchsmitarbeiter Hans Niederer./ej.
Die Ergebnisse zeigen vor allem auf, welche Fragen weiter verfolgt werden müssen. Künftig werden Mischungen mit Kompost und mit nützlichen Mikroorganismen geprüft werden und die Gründe für die Wachstumsdepression genau geklärt werden.
Bis also Biokohle im Gartenbau zur Bodenverbesserung oder als Substratkomponente eingesetzt werden kann, dürfte es noch ein paar Jahre dauern.
Text und Bilder (ausser Terra Preta, Autor unbek.): Elisabeth Jacob
Tipps zum Weiterlesen:
Zahlreiche gute Artikel über Biokohle sind im Webmagazin Ithaka des Delinat-Forschungsinstituts zu lesen: