Bern, 19.07.2017 - Der am 19. Juli 2017 veröffentlichte Bericht über den Zustand der Biodiversität in der Schweiz des Bundesamts für Umwelt BAFU zeigt beunruhigende Befunde: Fast die Hälfte der untersuchten Lebensräume und mehr als ein Drittel der Tier- und Pflanzenarten sind bedroht.
Hauptgründe dafür sind die intensive Nutzung von Boden und Gewässern sowie die hohe Belastung durch Stickstoff. Der anhaltende Verlust an biologischer Vielfalt bedroht einheimische Arten in ihrer Existenz und gefährdet zentrale Lebensgrundlagen für die Menschen und die Wirtschaft sowie die Einzigartigkeit der Landschaften in der Schweiz.
Der Bericht «Biodiversität der Schweiz: Zustand und Entwicklung», der die Ergebnisse der Biodiversitäts-Monitoringprogramme des Bundes und verschiedener wissenschaftlicher Studien (siehe Kasten) zusammenfasst, zeichnet ein alarmierendes Bild des Zustands der Biodiversität in der Schweiz. Zahlreiche einst verbreitete natürliche Lebensräume wie Trockenwiesen und Feuchtgebiete sind nur noch als Restflächen vorhanden. Ihre Fragmentierung und Isolierung erhöht das Risiko, dass von ihnen abhängige Arten aussterben. Ein Beispiel dafür ist der Laubfrosch, der zum Laichen auf Temporärfeuchtstellen angewiesen ist. Immer häufiger nehmen Generalisten ohne besondere Ansprüche an den Lebensraum den Platz dieser spezialisierten Arten ein und breiten sich auf deren Kosten aus. Die Folgen davon sind eine sinkende Vielfalt der Lebensräume und eine Homogenisierung von Landschaften und Artengemeinschaften.
Unverzichtbare Leistungen der Biodiversität
Die Biodiversität ist die Grundlage für das Leben auf dieser Erde und betrifft uns alle. Abgesehen von der ethischen Verpflichtung, sie für die Zukunft zu bewahren, stellt der Verlust von Biodiversität eine Gefahr für unseren Wohlstand und unsere Lebensqualität dar. Die Biodiversität erbringt unverzichtbare Leistungen (sogenannte Ökosystemleistungen) für unsere Gesellschaft: Sie liefert Trinkwasser und saubere Luft, fruchtbare Böden und Nahrung und schützt vor Naturgefahren. Müssten diese Leistungen kompensiert werden, wären die Kosten weitaus höher als der finanzielle Aufwand für den Schutz der Biodiversität.
Von vielen Seiten unter Druck
Grund für den unbefriedigenden Zustand der Biodiversität ist das Zusammenwirken mehrerer Faktoren, namentlich des wachsenden Flächenbedarfs für Siedlungen und Infrastrukturen und der intensiven Landwirtschaft. Immer bedeutender wird aber auch der Druck, der von invasiven Arten, von Mikroverunreinigungen oder von Klimaveränderungen hervorgerufen wird.
Massnahmen intensivieren
Bund und Kantone haben im Rahmen der Umsetzung der bundesrätlichen Strategie Biodiversität Schweiz verschiedene Massnahmen ergriffen, um die nationalen und internationalen Ziele zum Schutz und zur Erhaltung der Biodiversität zu erreichen. Dabei sind namentlich die dringlichen Massnahmen zur Sanierung und Aufwertung der Lebensräume von nationaler Bedeutung zu erwähnen, wofür der Bundesrat im vergangenen Jahr die Mittel verdoppelt hat. Hinzu kommen die Schaffung von Waldreservaten und von Biodiversitätsförderflächen im Agrarland, die Förderung von Gewässerrenaturierungen und der Schutz der Lebensräume von nationaler Bedeutung wie Moorlandschaften. Damit konnte der Biodiversitätsverlust gebremst, aber nicht gestoppt werden.
Zahlreiche dieser Flächen vermögen wegen mangelnder Qualität ihre Funktion nicht zu erfüllen. Schutzmassnahmen müssen konsequenter vollzogen werden. Als nächsten Schritt der Umsetzung der Biodiversitätsstrategie wird der Bundesrat voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte den Aktionsplan beraten und weitere Schritte beschliessen.
Biodiversität unter Beobachtung
Den Zustand der Biodiversität zu messen, ist eine komplexe Aufgabe. Vier grundlegende Monitoringprogramme liefern Daten, die eine fundierte Einschätzung des Zustands und der Entwicklung der Biodiversität ermöglichen.
Das Biodiversitäts-Monitoring Schweiz (BDM) besteht seit 2001 und erhebt Daten zu verbreiteten Vogelarten, Gefässpflanzen (Blütenpflanzen, Farne und Schachtelhalme), Wasserinsekten, Wirbellosen, Moosen und Tagfaltern.
Die Wirkungskontrolle Biotopschutz Schweiz (WBS) wurde 2011 lanciert. Mit floristischen und faunistischen Erhebungen sowie mit Luftbildanalysen wird untersucht, ob sich die in den Bundesinventaren verzeichneten Auengebiete, Moore (Hoch- und Flachmoore), Amphibienlaichgebiete und Trockenwiesen und -weiden gemäss ihrer Schutzziele entwickeln.
Im Rahmen des 2015 gestarteten Monitoringprogramms «Arten und Lebensräume Landwirtschaft» (ALL-EMA) werden der Zustand und die Veränderung der Artenvielfalt und der natürlichen Lebensräume in der Agrarlandschaft gemessen. Als Grundlage dienen floristische Erhebungen.
In den Roten Listen werden Informationen über gefährdete Arten von Tieren, Pflanzen sowie Pilzen und Flechten zusammengetragen. Die Listen geben Auskunft über die langfristige Entwicklung der gefährdeten Spezies und werden in regelmässigen Abständen überarbeitet.
Die Ergebnisse dieser vier Programme in Verbindung mit anderen Monitoringtätigkeiten im Umweltbereich (z. B. Beobachtung der Böden, der Gewässer, der Landschaft, der Luft oder der Wälder) sowie mit Erkenntnissen aus der wissenschaftlichen Forschung erlauben es, den aktuellen Zustand der Biodiversität zu beschreiben und Trends zu erkennen.
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